Ulrich Knefelkamp
♰ 25.11.2020
aus der FAZ:
Universal gelehrt: Mediävist Ulrich Knefelkamp gestorben
Von
Stefan Trinks
Das
Mittelalter musste den Umgang mit Seuchen und Pandemien
immer wieder neu justieren. Man separierte Infizierte in
besonderen Homeoffices - der Spenden wegen an den
Ausfallstraßen der Städte - und erfand so neue Bautypen
wie die Leprosenhäuser. Oft wurde ein sogenanntes
Hagioskop-Fensterchen mit Blick auf den Altar in die
Kirchenwände gebrochen, damit die Ansteckenden nicht vom
Gottesdienst ausgeschlossen waren, und nach überstandener
Seuche ging es auf die Pilgerfahrt. Der Mediävist und
Medizinhistoriker Ulrich Knefelkamp kannte all diese
Anpassungsleistungen an den Schrecken. Sein Artikel zu den
Leprosorien ist einer der lesenwertesten zum Thema. Seine
Publikation zu den weltberühmten Antichrist-Fenstern in
Frankfurt an der Oder, ebenfalls Reflex auf die Pest und
andere historische Notstände, zählt sicher zu seinen
populärsten Büchern, wenngleich auch seine Forschungen zum
mittelalterlichen Jakobsweg nach Santiago de Compostela in
der Forschung mit dem Erfolg von Hape Kerkeling auf
breiterer Ebene mithalten können.
Er
war im besten Sinne des Wortes ein Universalgelehrter,
dennoch immer bescheiden im Auftreten und stets freundlich
seinen Studenten und Kollegen gegenüber. Jedes seiner
vielen Studienfächer von der Geschichte und
Kunstgeschichte über die Volks- und Völkerkunde bis zur
Medizinhistorie füllte er vollständig aus. Mindestens eine
Doppelbegabung, hatte Knefelkamp auch zweifach promoviert:
1980 in Geschichte mit der Arbeit „Das Gesundheitswesen im
mittelalterlichen Freiburg im Breisgau“ und 1985 in
Volkskunde mit der Dissertation für das dem
Hochmittelalter so wichtige Thema „Die Suche nach dem
Reich des Priesterkönigs Johannes“. Seine Habilitation
handelt über die Geschichte der Hospitäler anhand des
Heilig-Geist-Spitals in Nürnberg, wo auch die
Reichskleinodien verwahrt wurden. Sowohl von seiner Lehre
in Bamberg wie auch von seinem Lehrstuhl an der
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder ab 1994
gingen „grenzüberschreitende“ Impulse aus.
Eine
schwere Erkrankung konnte ihn nicht hindern,
Historikerkongresse zu besuchen und neugierig auf aktuelle
Forschung zu bleiben. So unternahm er den Weg zum
Symposion des Mediävistenverbandes „Wasser in der
mittelalterlichen Kultur“ 2015 in Bern, auf dem alle
denkbaren Einsatzmöglichkeiten des Wassers vom Heilen bis
zum gegnerischen Schädigen durch Überfluten beleuchtet
wurden. Mit einem Jakobsweg-Bonmot ließe sich sagen,
Ulrich Knefelkamp, der vergangenen Mittwoch im Alter von
69 Jahren in Bamberg verstarb, „ist dann mal weg“ – seine
Publikationen und die Erinnerung an seine
Liebenswürdigkeit hingegen bleiben.