Jürgen Schrader


♰ 02.09.2021





Trauerfeier Jürgen Schrader am 01.10.2021 in der Hamburger Kirche Nienstedten

Seit November 2020 gab es aus unserer Klasse schon die Abschiede von Uli Knefelkamp und von Adelheid Pohlmann, die im kleinsten Kreis stattfinden mussten, dies geschuldet der Pandemie.

Nun ist auch Jürgen nicht mehr unter uns. Nach einem massiven Herzinfarkt starb er am 02.September im Krankenhaus HH Altona. Und zur heutigen Trauerfeier und Urnenbestattung gab es keine zahlenmäßige Beschränkung mehr.

Von südlich der Elbe machte ich eine kleine Reise bei schönstem Oktoberwetter, zunächst per Auto 30km bis Finkenwerder, dort auf die Elbfähre nach Teufelsbrück und nochmal 20 Minuten zu Fuß zur Kirche im edlen Hamburger Elbvorort, vorbei am Internationalen Gerichtshof für Seerecht, am Waldorfkindergarten, durch parkähnliche Anlagen, durch eine der schönsten Wohngegenden Hamburgs.

Vor der Kirche angekommen war ich recht überrascht von der Menge der Menschen, die ich dort sah. Sie waren alle mehr oder minder in unserem Alter, dazu natürlich Jürgens erwachsene Kinder Sophie und Moritz, beide noch ohne eigene Kinder. Klassisch bis lässig war der Dresscode, ich glaubte, seine Musiktruppe zu erkennen, war noch irritiert und traf dann meine Leutchen, sprich Josua Cleve, Michael Corsmann und später noch Holger Mihm.

Lichtdurchflutet war die Kirche, die Urne im Blumenschmuck schneeweiß; die Gäste saßen grüppchenweise distanziert, mit Maske in fast ein wenig aufgekratzter Stimmung und erlebten eine überraschend konservativ durchgeführte Trauerandacht. Nur Leonard Cohens „Hallelujah“ mit vollem Text gab einen zarten Hinweis darauf, dass Jürgen der klassisch protestantischen Theologie mit seiner Liturgie eigentlich eher fernstand. Hätte da nicht ein Saxofon-Solo hingehört, zur Not aus der Dose?

Die Pastorin zeichnete noch einmal das Leben von Jürgen nach, mit seiner Herforder Heimat auch in Hamburg gut verwurzelt und doch auf weitem Raum unterwegs. Der Satz: „du stellst meine Füße auf weiten Raum“ aus dem Psalm 31 war der Leitsatz der Ansprache.  Dieser Gedanke traf ja auf Jürgen nicht nur räumlich, sondern auch geistig unumschränkt zu!  So vielen Dingen hat er sich gewidmet: der Philosophie, der Literatur, der Kunst und dem Jazz, den weltweiten  Reisen, dem Motorradfahren, der spanischen Sprache, dem Saxofon Spiel, der Kochkunst und dem guten Wein, aber eben auch der Pflege all seiner Freundschaften und der unabdingbaren Zuwendung zu seinen beiden Kindern!  

Zum Abschluss Orgelmusik aus Mozarts Requiem, Auszug aus der Kirche mit Blumenschmuck und Urne.

Der Friedhof nebenan ist ein wunderschöner Park, eine sehr alte Anlage, auf der sich auch Grabstätten vieler prominenter Hamburger Familien finden: Reemtsma, Jacob, Zeise, Reedereibesitzer, Politiker, Hanns Henny Jahn und nicht zuletzt Heidi Kabel.

An einer Urnengrabstätte zogen sie dann alle im langen Zug vorbei, die vielen Freunde von Jürgen, warfen Sand und Blumen ins Grab, und in die Trauer und die Tränen mischte sich auch immer wieder ein freudiges Erkennen und Begrüßen unter den Vielen, die dabei waren. Sophie und Moritz erlebten sicher ganz intensive Momente und viel Stärkung durch immer wieder sehr herzliche Anteilnahme.

Und rasch zerstreute sich wieder Alles auf die eigenen Wege und ich ging noch mit Michael Corsmann auf einen Kaffee in eine nette Bäckerei am lauschigen Nienstedtener Markt, dort plauderten wir aus unseren Leben. Später setzte ich mich noch an die Elbe und schaute lange aufs Wasser, bevor mich die Fähre wieder nach Südelbien brachte.

(Renate Prollius)



Eine Erinnerung von Hans-Wilhelm ("Otto") Becker 

Ich bin Hans-Wilhelm Becker, genannt Otto, aus Herford. 1965 kam ich in die Untertertia am Friedrichs-Gymnasium, in der auch Jürgen war. Wir freundeten uns an, und obwohl ich sitzen blieb, blieben wir Freunde, auch wenn Jürgen nun eine Klasse höher war.
Immer Montags hatte Jürgen die aktuelle Top Twenty der Englischen Hitparade aus British Forces Broadcasting Service parat, und das wurde dann durchgekakelt.
Jürgen hatte zur Musik einen esoterischen Geschmack, wie auch in anderen Dingen. Er rauchte nicht das übliche Kraut, sondern Gitanes. Er hatte einen
Parka der amerikanischen Armee, wo unsereins einen Bundeswehrparka hatte.
Halbhohe Boots trug er, wo die anderen die üblichen Galoschen anhatten. Und eine Brille trug er, die sehr an John Lennon erinnerte. Er war besonders, aber auch besonders nett mit seinem dezenten Lächeln. Wir sind gemeinsam auf vielen Feten gewesen, und dann waren wir 1967 mit zwei anderen Freunden für drei Wochen in Somerset in England. Jürgen verabschiedete sich nach ein paar Tagen. Er wollte allein durchs Dartmoor trampen und dann an die äußerste Südwestspitze Englands nach St.Ives.
Nach ein paar Tagen war er wieder da und hat uns von seinem abenteuerlichen Ausflug erzählt.
Ich habe ihn oft und gerne in der Lübberstraße besucht. Er hatte immer sturmfrei, weil er außerhalb der eigentlichen Wohnung sein Zimmer unterm Dach hatte. Betty und Helmut waren für damalige Verhältnisse sehr aufgeschlossene Zeitgenossen, und so war das für mich, aus streng katholischem Elternhaus, immer irgendwie ein Asyl. Auch Rolle war ein ganz prima Typ, zu dem ich immer bis zu dessen Abi Kontakt hatte.
Wie oft sind wir alle zusammen in der großen Pause zu Tchibo gegangen auf einen Kaffee und eine Zigarette. Bis auf ein paar Kontakte auf Klassentreffen und eine berufliche Tätigkeit haben sich die Wege verflüchtigt, wie das so ist.
Rein zufällig bekam ich vor wenigen Tagen ein Schreiben von Gerd Rübenstrunk, einem gemeinsamen Mitschüler und Mitabiturient von Jürgen. Dem Schreiben war ein umfangreiches Konvolut von Bildern des Abiturjahrgangs 1970, von ehemaligen Paukern und einigen Dokumenten beigefügt, auch ein Dokument RiP ( lat.), das ich öffnete, und als ich es dann begriff, sehr betrübt war.
Ja, er ist jetzt frei und er hat wohl nicht gelitten.
 Vielleicht ist es so, wie Goethe im Egmont schreibt:
Süßer Schlaf, du kommst wie ein reines Glück
unerbeten
unerfleht am willigsten
du lösest die Knoten der schweren Gedanken
vermischest alle Bilder der Freude und des Schmerzes
ungehindert fließt der Kreis innerer Energien
und eingehüllt in gefälligen Wahnsinn
versinken wir und hören auf zu sein.

Und Ihr müsst mit dem Verlust dieses besonderen Menschen leben, der Euch so nahe ist und Euch auch durch das gemeinsam Er-lebte bleiben wird.
Und ich wollte ein paar Facetten aus der Jugend, der schönen, hinzufügen und grüße Euch unbekannterweise und wünsche Euch, dass
Euch die Erinnerung an Jürgen stark macht.